K wie Kommunikation

Der Traum von gelingender Kommunikation lebt in uns allen. Vielleicht weil viele Schwierigkeiten im Leben mit Kommunikation zu tun haben. Mal möchte ich „erfolgreich“ kommunizieren, also meine Ziele besser erreichen, mal „harmonisch“, um so die vielen Missverständnisse und Unstimmigkeiten zu reduzieren, und dann natürlich auch „empathisch“, d.h. den anderen besser und tiefer verstehen und ihm (oder ihr) dies glaubhaft vermitteln können: „Ich verstehe Dich!“

Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, dass wir im Bemühen um eine bessere Kommunikation (oder war es nur Harmonie …) häufig viel zu schnell beim andern sind. Das kann im Zorn sein (wenn es klar zu sein scheint, dass der andere verantwortlich für unsere Schwierigkeit bzw. Auseinandersetzung ist), aber gar nicht selten auch im Verständnis. Geschwind übergehen wir unsere Wahrnehmungen, Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche, denn es ist oft nicht leicht sie anzunehmen. Wer kann es schon aushalten, unter dem Zorn auf den andern (oder unter dem Verständnis für ihn) die eigene Verletzlichkeit und Angst, z.B. das Bedürfnis nach Anerkennung wahrzunehmen oder gar dies noch zu kommunizieren? Es ist einfacher, sich mit dem anderen zu beschäftigen, sei es verurteilend oder (scheinbar) empathisch.

Mit viel Verständnis für den andern können wir in Auseinandersetzungen sicherlich deeskalierend wirken und eine gewisse Harmonie herstellen, vielleicht sogar manchmal eigene Ziele erreichen. Mittel- und erst recht langfristig wird uns jedoch etwas fehlen oder es wird gar zum Crash in der Kommunikation und Beziehung kommen, wenn wir nicht mit dem Verständnis von uns selbst anfangen. Meine Empfehlung lautet daher: „Versuche nicht, empathisch mit deinem Gegenüber zu sein, bevor Du nicht mit Dir selbst in der konkreten Konfliktsituation ausreichend empathisch sein konntest!“

Marshall B. Rosenberg hat mit der „gewaltfreien Kommunikation“ (GFK) ein wunderbares Konzept entwickelt. Aber es wird häufig falsch verstanden und sorgt daher leider auch oft für Abwehrreaktionen. Ich rate, seine vier Schritte für einige Zeit ausschließlich als Selbsterforschungsmethode anzuwenden. Vier Schritte, das sind: Wahrnehmung, Gefühl, Bedürfnis und Wunsch. In einem Streit versuchen Sie also zunächst zu ergründen, um welche Fakten es geht (Wahrnehmung) und dann, welche Gefühle Sie haben. Dieser Schritt ist nicht einfach, da wir uns nicht gern mit unseren Gefühlen konfrontieren. Versuchen Sie dennoch, ganz basale Gefühle wie Wut, Trauer, Angst, Scham, Ekel zu entdecken. Falls Sie an diesem Punkt sagen: „Ich weiß nicht, was ich fühle …“, dann sind Sie zumindest schon sehr nah dran an der Selbsterkenntnis. Vom Gefühl führt der nächste Schritt zu den Bedürfnissen: „Was brauche ich, was hätte ich gebracht?“ Erst wenn ich Gefühle und Bedürfnisse empfunden habe, kann ich mir vorstellen, was ich mir eigentlich vom andern wünschen würde. Das heißt jedoch nicht, dass ich diesen Wunsch auch äußere.

Damit sind wir bei einem wesentlichen Punkt der gewaltfreien Kommunikation, wie ich sie verstehe: Es geht zunächst gar nicht darum, was ich mitteile, sondern was ich bei mir wahrnehme und empfinde. In einer zweiten Phase kann ich entscheiden, was davon ich meinem Gegenüber mitteilen mag. Es gibt eben eine Reihe von Situationen und Personen, bei denen es überhaupt nicht ratsam wäre, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse gerade jetzt mitzuteilen (z.B. wenn das Gegenüber mein Chef und der vielleicht so aufgebracht ist, dass er im Moment ohnehin nicht sensibel sein kann). Doch wenn ich mir bewusst werde, dass ich etwas so Wesentliches über mich jetzt nicht mitteilen möchte, sollte ich mir auch bewusst sein, wie riskant und schädlich es für die gemeinsame Kommunikation sein kann, wenn ich statt dessen über die Gefühle und Bedürfnisse des andern spekuliere! Die GFK ist keine Methode, um den andern wohlmeinend zu manipulieren. „Bist Du wütend, weil Du Dir mehr Anerkennung von mir wünschst?“ Bevor ich einen derart gewagten Satz abschicke, und es werden solche Sätze in GFK-Trainings oft geprobt, sollte ich prüfen, ob ich meine eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche bereits mitgeteilt habe und mitzuteilen bereit bin.

Es ist so banal wie ergreifend: Bei andern fällt uns viel leichter auf, wie es funktioniert oder nicht funktioniert, was kurios oder auffällig ist. Bei uns selbst dagegen meinen wir, etwas klar und deutlich gesagt zu haben (ohne dass dies der Fall war), oder sind uns ganz sicher, etwas gehört zu haben (was wir beim Hören schon interpretiert und umformuliert haben) usw.

Vielleicht wäre es hilfreich, sich von dem Ideal zu lösen, mit Kommunikationsmethoden unsere Lebensprobleme oder all die Schwierigkeiten zwischen Menschen beheben zu können. Was wir dagegen immer wieder versuchen können: Uns in Kommunikation selbst zu erforschen. So kann der Versuch dazu führen, dass wir uns selbst mehr verstehen – oder zumindest verstehen, wo wir „Themen“ haben, die vielleicht auf Klärung oder Therapie warten. Und vielleicht ergibt sich das Glück der gelingenden Kommunikation ja doch dann und wann – und dann können auch „gewagte“ Sätze dem Gegenüber angeboten und von ihm angenommen werden. Das klingt bescheiden im Vergleich zu den Versprechungen vieler Bücher, Kommunikationstrainer, Seminare … Doch ich glaube, nur so geht es „nachhaltig“ statt kurzfristig „erfolgreich“.

Tipp: Einen ausführlichen Artikel von mir zur gewaltfreien Kommunikation gibt es unter Gesundheitsratgeber zum kostenlosen Download.