Die meisten Frauen haben im Laufe ihres Lebens mehrfach mit Blasenentzündungen zu kämpfen: Brennen beim Wasserlassen, ständiger Harndrang, häufige Entleerung sehr geringer Harnmengen. Spätestens wenn Fieber auftritt, raten Ärzte zur Einnahme von Antibiotika, manche aber auch schon früher. Doch die Entzündungen kehren häufig wieder – und die dauerhafte Einnahme von Antibiotika ist keine Lösung.
Es ist nachvollziehbar, dass betroffene Frauen an Arzt oder Ärztin die Erwartung haben, etwas „wirklich Wirksames“ zu bekommen. Da Blasenentzündungen überdies zur Niere aufsteigen und im schlimmsten Fall zu Nierenschäden führen können, sind Ärzte – aus Sicherheitsgründen – oft auch von sich aus großzügig mit der Antibiotikagabe. Dass die Betroffenen in vielen Fällen bald mit dem gleichen Problem wieder in der Praxis auftauchen, ist bekannt. Lange unbekannt dagegen war der breiten Öffentlichkeit bis vor wenigen Jahren, wie gefährlich einige der verordneten Antibiotika sind. Mit Fluorchinolonen wie Ciprofloxacin haben die Pharmafirmen (z.B. Bayer mit Ciprobay) mehr als 20 Jahre eine Menge Geld eingenommen und es dauerte trotz zahlreicher Hinweise von Patientinnen und Ärzten bis 2019, dass europäische und deutsche Behörden vor den gravierenden Nebenwirkungsrisiken (für Magen-Darm, Herz-Kreislauf, sogar für die Psyche) warnten und das Nutzen-Risiko-Profil ganz anders darstellten.
Wie könnte eine „alternative“ Therapie aussehen? Zunächst einmal würde ich einschränkend sagen, dass eine ganzheitliche Therapie wie so oft nicht darin besteht, einfach das synthetische Medikament durch ein pflanzliches oder homöopathisches zu ersetzen. Die Mittel mögen wirksam sein, allerdings selten vergleichbar mit den konventionellen Arzneien – was ja mit Blick auf die Nebenwirkungen auch ein Vorteil ist, aber deswegen muss die Therapie auf mehreren Säulen ruhen, dazu später mehr. Schauen wir zunächst einmal auf die pflanzlichen Optionen.
Zu den Mitteln der ersten Wahl galten in der Phytotherapie lange Zeit Bärentraubenblätter, verordnet wird heute noch z.B. das Präparat Arctuvan®. Allerdings ist die Verträglichkeit recht unterschiedlich. Und Bärentraubenblätter dürfen ohne ärztlichen Rat nicht länger als eine Woche und maximal fünf Mal pro Jahr angewendet werden, u.a. da sie evtl. die Leber schädigen können.
Ein relativ bekanntes pflanzliches Medikament ist Canephron®, in verschiedenen Darreichungsformen. Für ausgebildete Phytotherapeuten wirkt die Zusammensetzung eher kurios: Liebstöckel, Rosmarin und Tausendgüldenkraut sind alles andere als klassische Blasenheilpflanzen, dass es dafür überhaupt eine Zulassung gab (als „traditionelles Arzneimittel“ nach einem erleichterten Zulassungsverfahren), kann man für erstaunlich halten. Nun ist der Hersteller finanziell gut genug ausgestattet, um auch Studien zu machen – und mit diesen Studien wird fleißig geworben. Allerdings „tickt“ die Pharmaindustrie im Bereich Naturheilkunde nicht prinzipiell anders als die konventionelle: Die eine der beiden prominenten Studien erfüllt nicht die üblichen wissenschaftlichen Standards (es gab z.B. keine Verblindung, die „Ergebnisse“ beruhten teils auf subjektiven Einschätzungen), bei der anderen waren drei der Autoren Angestellte der Firma und zwei weitere Autoren beziehen Beratungshonorare derselben. Ich finde es schön, wenn sich Unternehmen für den Erhalt der Pflanzenheilkunde stark machen und außerdem sollte man nicht vergessen, dass diese Mittel in ihrem Nebenwirkungsprofil meist erheblich besser abschneiden, diesbezüglich besticht Canephron zweifellos! Dennoch würde ich bei einem Mittel, das ich verordne, darauf achten, dass mir die Zusammensetzung unabhängig von Werbeaussagen rundum plausibel erscheint. Und da muss ich sagen: Viele herkömmliche Blasentees erscheinen mir nicht weniger plausibel.
Ein spannendes Thema: die vielfach unfassbar unterschätzten Heilpflanzentees. An Tess lässt sich nun einmal nicht viel verdienen, daher werden sie nicht beworben und sind in unserem Bewusstsein unterrepräsentiert. Dabei ist das Teetrinken an sich schon heilungsfördernd, gerade bei Blasenthemen, und bewährte Kräuter vervielfachen den Effekt: Birkenblätter, Goldrute, Hauhechel wären solche einheimischen Klassiker, wer Rosmarin mag, kann ihn wegen der wärmenden Wirkung dazunehmen. Ursprünglich aus Südostasien stammt der Orthosiphontee, er wird mittlerweile schon fast 100 Jahre auch in Europa angewendet. Schauen Sie mal, welche Pflanzen in den Teemischungen in der Drogerie enthalten sind oder fragen Sie Ihren HP nach einer individuellen Teemischung.
In jüngerer Zeit hat sich die Einnahme von Cranberry-Saft oder -Tabletten ergänzend zur klassischen Phytotherapie etabliert. Interessanterweise ist die Cranberry, die amerikanische Moosbeere, mit Heidelbeere und der hiesigen Preiselbeere und der Bärentraube verwandt – allesamt wurden traditionell bei Blasenleiden eingesetzt. Die Wirkung von Cranberry beruht offenbar darauf, dass sie die Anhaftung der Keime in der Blase und den Harnwegen verhindern. Ein rundum überzeugender wissenschaftlicher Nachweis fehlt zwar, aber bei in der Regel guter Verträglichkeit lohnt sich der Versuch: Nach wiederholter Zystitis wird eine drei- bis sechswöchige Kur als Schutz vor Reinfektion empfohlen.
Kommen wir auf die anderen „Säulen“ der ganzheitlichen Therapie zurück. Naturheilkunde ist ja zu wesentlichen Teilen unspektakulär: Die Lebensführung (Diätetik) hat großen Einfluß auf das Problem, die betroffenen Frauen sollten u.a. auf warme Kleidung (Füße und Nieren-Blasen-Gegend warm halten) und wärmende Nahrung achten. Lieber Suppe statt Rohkost und auf jeden Fall Softdrinks und Alkohol meiden. Wärme von innen und von außen – im Akutfall helfen bekanntlich auch die Wärmflasche oder ein warmer Umschlag. Das ansteigende Fußbad hat sich bei Verkühlung und Kälteempfindlichkeit bewährt: Die Füße in warmes Wasser (30–35 °C) stellen, dann nach und nach heißes Wasser hinzugeben, bis max. zur Temp. von 40 °C. Dauer 15–20 Min. Eventuell mit ein paar Tropfen ätherischem Öl verstärken, das erhöht den „Wellness-Effekt“ und sorgt für nachhaltige Wärme, z.B. Lavendel- oder Rosmarinöl.
Dass Frauen um ein Vielfaches häufiger betroffen sind, hat primär mit den anatomischen Gegebenheiten zu tun: die Keime haben es leichter einzudringen. Daher spielt selbstverständlich die Hygiene eine Rolle. Nach dem Stuhlgang Vorsicht mit dem Clopapier (immer weg von der Scheide). Nach dem Sex empfiehlt sich, die Blase zu leeren. Zuviel Hygiene hat aber gegenteilige Effekte: Seifen und Waschlotions können die Scheidenflora und damit die natürliche Keimbarriere zerstören.
Verwandt mit der Blasenentzündung und nicht immer leicht davon zu unterscheiden ist die sogenannte Reizblase (ohne Keimbeteiligung). Hierbei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, auch die Psyche spielt häufig mit: Stress schlägt nicht nur auf den Magen, sondern auch auf die Blasse.
Der Pharmakritiker Peter C. Gøtzsche hält z.B. die moderne bis populäre Diagnose einer „überaktiven Blase“ (gerne mit „Syndrom“ oder wissenschaftlichen Abkürzungen versehen) für erfunden – von pfiffigen Marketingexperten. Ergebnis: Die Betroffenen pinkeln jetzt mit Medikamentenhilfe geringfügig (!) weniger, leiden dafür zum Teil unter Mundtrockenheit, verschwommenem Sehen, Verstopfung und Verwirrung. Dabei ist die Wirkung auf die Blase so gering, dass man laut Gøtzsche auch von Nicht-Wirkung sprechen könnte. Absurderweise meinen viele Betroffenen aufgrund der erlebbaren Nebenwirkungen, dass es sich offensichtlich um ein wirksames Medikament handele.
Bevor Sie also zu viel unternehmen, rate ich zur Vorsicht vor Übertherapie – und zu Geduld und Gelassenheit: Abwarten und Tee trinken!
Bitte beachten Sie, dass es sich bei meinen Blog-Beiträgen um allgemeine Texte und pauschale Ratschläge handelt, sie sind nicht geeignet, den Besuch bei Arzt oder HP zu ersetzen. Zur selbständigen Diagnose und Therapie wird hier nicht aufgerufen! Insbesondere bei Fieber sollten Sie einen erfahrenen Therapeuten aufsuchen! Weitere Haftungsausschlüsse finden Sie im Impressum.