Das Thema Mundgeruch mag durch Corona-Maßnahmen wie Social Distancing und Mund-Nasen-Schutz etwas an Aktualität eingebüßt zu haben, wie eben ganz viele Themen hinter der Maske zu verschwinden scheinen. Doch auch mit weniger Leidensdruck auf beiden Seiten ist die „Halitosis“ – so das feine Fremdwort für das unfeine Phänomen – als ständiger Begleiter ziemlich unangenehm und nicht nachhaltig durch Bonbons wie Vivil, TicTac oder deren moderne Nachfolger in den Griff zu bekommen.
Früher haben Ärzte anhand des eigenartig riechenden Atems auf so unterschiedliche Ursachen wie Diabetes, Nierenschwäche, Mandelentzündung oder Lungenabszess geschlossen. Heute, da viele Patienten mit reichlich „objektiver“ Diagnostik durchleuchtet werden, ist das selten geworden. Vor allem in der Naturheilkunde ist die These, der Mundgeruch komme letztlich aus dem Darm verbreitet. Das Problem kann durchaus daher kommen. Doch bevor Sie sich zu schnell für eine solche Selbstdiagnose entscheiden, sollten die Ursachen im Mundraum überprüft werden: Hinter der Problematik stecken häufiger Bakterien, die in der Mundhöhle Nahrungseiweiße zersetzen. Nun könnte man sich auf diese Keime stürzen – doch dabei besteht die Gefahr, dass auch erwünschte Bakterien der Mundflora verdrängt werden. Von Spüllösungen mit dem häufig verwendeten desinfizierenden Stoff Chlorhexidin ist daher abzuraten.
Vor allem Reste von tierischem Eiweiß (Fleisch und Wurst, Fisch, Käse und andere Milchprodukte), die zwischen den Zähnen bleiben, bieten den Bakterien hervorragendes „Futter“. Aber nicht nur zwischen den Zähnen, sondern auch auf der Zunge, vor allem zum Rachen hin (auf dem sogenannten Zungengrund) siedeln Bakterien und setzen in den mehr oder weniger großen Zerklüftungen Nahrungsreste um. Wenn also die Zahn- und Zahnzwischenraumreinigung (mit Zahnseide bzw. Interdentalbürste) keinen ausreichenden Erfolg gewährt, sollte auch die Zunge regelmäßig geschrubbt werden. Auch zu alte und defekte Zahnfüllungen sowie Hohlräume unter defekten Kronen und Brücken oder kariöse Zähne kommen als „Nistplatz“ für Bakterien in Frage. Nicht zuletzt bieten Zahnfleischtaschen den Bakterien hervorragende Bedingungen. Manchmal hilft daher erst eine Sanierung des Mundraums durch den Zahnarzt.
Warum wird eigentlich der Mundgeruch beim Aufstehen morgens gewissermaßen für normal gehalten? Er ist zumindest weit verbreitet. Dies hat mit einem zu geringen Speichelfluss zu tun, der normalerweise für eine kontinuierliche Mundraumreinigung sorgt. Dies tritt bei vielen nachts auf, da die Betroffenen zu stark durch den Mund atmen, erkennbar am Schnarchen.
Was aber, wenn die Ursachen definitiv nicht im Mundraum liegen? Dass Verdauung und Stoffwechsel einen Einfluss auf den Atem und seinen Geruch haben, belegt u. a. der häufig starke Mundgeruch derer, die an typischen Magen-Darm-Erkrankungen wie Gastritis oder Morbus Crohn leiden. Was folgt daraus aber für jene, die sich für mehr oder weniger magen-darm-gesund halten? Vorrangig geht es darum, eine individuell bekömmliche Ernährung zu praktizieren. Und eine bekömmliche Ernährungsweise, d. h. kauen statt schlingen – oder die bekannten Ratschläge von F. X. Mayr und anderen beherzigen: nicht so viel, nicht so spät, nicht so schwer bzw. fett, nicht so schnell essen, um Gärungs- und Fäulnisprozesse zu vermeiden. Übrigens: Ernähren sich Betroffene vegan, also unter Verzicht auf sämtliches tierisches Eiweiß, verlieren manchmal innerhalb weniger Tage sämtliche ihrer Ausscheidungen und Ausdünstungen den stinkenden Charakter bzw. die Intensität. Allerdings verschwindet der Mundgeruch nicht bei allen sofort durch Umstellung auf eine andere Kost, da der Organismus sich daran gewöhnen muss – und man erst herauszufinden hat, welche Form von Ernährung individuell die ideale ist.
Außerdem lassen sich nach meiner Erfahrung die wenigsten Klienten gern in ihren Speiseplan „hineinreden“ (sofern sie nicht explizit wegen Magen-Darm-Problemen die Praxis aufsuchen). Daher abschließend noch ein oder zwei Tipps, die auch dann ein wenig helfen, wenn vieles doch beim Alten bleiben soll, nur eben nicht der Mundgeruch:
Nachhaltiger als aggressive Mundspülungen wirkt das sogenannte „Ölziehen“. 15 Minuten wird auf 1 Esslöffel natürlichem Speiseöl (Sonnenblumen-, Oliven- oder Sesamöl) herumgekaut, dann spuckt man die milchige Flüssigkeit aus. Diese Methode reduziert unerwünschte Bakterien, aber auch Entzündungen (z. B. am Zahnfleisch). Man kann sich auch gut ein eigenes Öl dafür zusammenstellen, ich empfehle Rotöl, kombiniert mit wenigen Tropfen von ätherischen Ölen „nach Geschmack“ (viele ätherische Öle wirken verdünnt positiv auf den Mundraum, z.B. Thymian-, Oregano-, Lavendel- oder Schwarzkümmelöl).
Der regelmäßige Genuss von Grüntee fördert die wünschenswerte Zusammensetzung der Mundflora und reduziert das Anhaften von Bakterien. Da Grüntee auch sonst allerlei gesundheitliche Vorzüge hat, wäre dies evtl. der Anlass, es mal damit zu versuchen?