Allen Veränderungen, selbst jenen, die wir ersehnt haben, haftet etwas Melancholisches an; denn wir lassen einen Teil von uns selbst zurück; wir müssen in einem Leben sterben, ehe wir ein anderes beginnen können. (Anatole France)
In meinem Leben gab es in den vergangenen sieben oder acht Jahren mehrere bedeutende Wechsel. Im familiären Umfeld und altersähnlichen Bekanntenkreis stelle ich Ähnliches fest: unerwartete Veränderungen, Krisen, auch neue Lebensmodelle. Obwohl ich mir „eigentlich“ sicher bin, dass dabei vor allem seelische und soziale Faktoren und vielleicht auch eine Portion Zufall zusammenwirken – manchmal wurde mir die Frage gestellt, ob es auch mit Hormonen zu tun haben könnte? Daher möchte ich hier einen Augenblick den männlichen (!) „Wechseljahren“ widmen. Das geht am Besten über den Vergleich mit der Entwicklung bei Frauen.
Die Wechseljahre der Frau werden heute ganz anders gesehen als noch vor 20 Jahren. Damals galt die Gabe von Hormonen medizinisch sozusagen als „Goldstandard“, und wer sie ablehnte, geriet in Verruf. Dann zeigte sich, dass die Hormonersatztherapie, zumindest in der klassischen Form, hochriskant ist: Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs begünstigt. Auf einmal war alles anders und die scheinbar ewig gestrige Naturheilkunde wurde modern. Viele Ärztinnen und Heilpraktikerinnen haben sich mittlerweile in diesem Gebiet spezialisiert, ein dankbares Thema. Mit den weiblichen Wechseljahren lassen sich die Veränderungen beim Mann ab Ende 40 nicht vergleichen. Zwar verläuft auch das Klimakterium bei Frauen individuell sehr unterschiedlich, längst nicht jede Frau leidet unter Symptomen (übrigens gibt es in Asien noch viel weniger Betroffene). Auf der rein hormonellen Ebene allerdings ist der Wechsel am Ende der fruchtbaren Phase eindeutig und dramatisch, egal ob er schneller oder langsamer verläuft: Die Eierstöcke stellen ihre Produktion an Östrogen ein!
Die männlichen Wechseljahre sind demgegenüber medizinisch gesehen eher ein Phantom. Für die wirklich von Hormondefiziten Betroffenen ist das Problem zwar keine erfundene Krankheit. Doch wahrscheinlich sind dies weniger als 5 Prozent der Männer – und auch bei ihnen ist die Situation oft nicht so eindeutig, sondern es bleibt unklar, ob wirklich der Hormonmangel für die beklagten Symptome relevant ist. Für die Mehrheit der Männer klingen die Verlockungen einer Hormontherapie mit Testosteron, DHEA & Co. wahrscheinlich dennoch verheißungsvoll, z.B. Aufbau von Muskelmasse, Zunahme von Leistungsfähigkeit und Kraft, aber es drohen auch Nebenwirkungen, ähnlich wie in der Hormonersatztherapie (HET) bei Frauen.
Es fragt sich also, ob es schlau ist, die Natur mit der Gabe von Hormonen zu überlisten. Wer sich bei Sorgen um einen zu rapiden Wechsel den Fragen nach Maß, Sinn und Werten stellt und in Krisen vielleicht eher Coaching oder Psychotherapie statt Hormone in Anspruch nimmt, hat m.E. etwas bessere Chancen auf Veränderung zum Guten. Letztlich muss man jedoch individuelle Antworten auf die Frage finden, welchen Sinn und welche Qualität das Alter haben kann. Jung bleiben zu wollen, in dem Sinne, wie es manche Männerzeitschrift verspricht, finde ich, offen gesagt: peinlich und unreif. Es wäre für mich aber auch unreif, so zu tun, als hätte ich da überhaupt kein Problem. Dann schon lieber die Krise als Chance ergreifen und etwas für ein neues Leben und neue Lebensqualität tun.
Tipp: Mit Ernährung, Bewegung und Entspannung verfügt die Naturheilkunde über „schöpfungskonforme“ Methoden, etwas gegen einen zu schnellen Wechsel ins Alter zu unternehmen. Unspektakulär, aber effektiv. Eine „Schmalhanskost“ statt der üblichen Überernährung lässt Hormonwerte, die mit dem Alter fallen, wieder steigen. Der Hormonspiegel sinkt nämlich vor allem mit zunehmendem Bauchumfang. Ein solches Maßhalten beim Essen und beim Trinken (Alkohol verändert die Hormonproduktion!) ist überdies gut für Blutfette, Blutdruck und Blutzucker. Ich gebe allerdings zu bedenken, wenn man ohnehin eher dünn ist (wie ich), hilft das nicht, sondern lässt einen schnell noch älter wirken. Regelmäßiger Ausdauersport, nicht Marathon, wirkt den meisten jener Probleme entgegen, die gerne auf Hormonmangel zurückgeführt werden: Muskelschwund und Fettansatz, Osteoporose, Depressionen, Schlafstörungen und Schmerzen. Nicht zuletzt, Stress verschiebt den Hormonhaushalt so, dass die Sexualhormone zu kurz kommen und stattdessen Kortison & Co dominieren. Stressreduktion würde das hormonell mitgesteuerte Alterungstempo wirksam senken. Wie wäre es also mit … Achtsamkeitstraining? Die Probleme und Aufgaben laufen nicht davon, wenn wir tagtäglich immer mal wieder zehn Minuten bewusst atmen, spazieren, genießen, innehalten.