Fieber kann ein Symptom vieler, auch schwerwiegender Erkrankungen sein. Allerdings ist es selbst keine Krankheit, sondern im Gegenteil Teil der Heilreaktion. Daher sollten wir mit fiebersenkenden Maßnahmen eher zurückhaltend sein. Dieses Dauer(streit)thema wurde unlängst im Zusammenhang mit Covid-19 wieder einmal heftig diskutiert (dazu am Ende des Beitrags etwas mehr).
In früheren Zeiten stand „Fieber“ als Inbegriff für die Angst vor schweren Krankheiten: Viele Menschen starben an Fieber bzw. an einer mit Fieber verbundenen Krankheit, die man nicht genauer kannte, geschweige denn behandeln konnte. Daher erschien die Entdeckung fiebersenkender Medikamente als großer Segen. Die Schulmedizin folgte dann noch geraume Zeit dem naturwissenschaftlichen Ideal, alles zu kontrollieren, während die Naturheilkunde skeptisch war und die „Selbstregulation“ hochhielt. Mittlerweile hat auch in schulmedizinischen Kreisen längst ein Umdenken eingesetzt. Ärzteverbände kritisieren etwa, dass Eltern bei ihren Kindern zu oft und zu schnell zu fiebersenkenden Medikamenten greifen (und diese auch noch zu hoch dosieren).
Sinnvoll ist die medikamentöse Fiebersenkung unter anderem, wenn Kinder zu Fieberkrämpfen neigen. Auch in der Schwangerschaft muss Fieber gesenkt werden, nicht immer werden dafür allerdings Medikamente benötigt. Bei herzschwachen Patienten muss bedacht werden, dass mit jeder Grad Temperatur mehr, Puls und Blutdruck steigen. Deshalb, und weil Fieber zu erhöhtem Flüssigkeitsverlust führt, wird gerade bei älteren Patienten in der Klinik häufig das Fieber gesenkt.
Wie entsteht überhaupt Fieber? Das Wärmeregulationszentrum im Hypothalamus (eine Struktur im Zwischenhirn) erhöht den „Sollwert“ der Körperkerntemperatur. Der Körper nun versucht, weniger Wärme abzugeben – die Durchblutung der Haut wird eingeschränkt, subjektiv beginnen wir zu frieren – und mehr Wärme zu produzieren. Ist der angestrebte Wert erreicht, beginnt meist schon wieder die Gegenregulation: Durch Schweiß versucht der Körper, Wärme abzugeben, um eine Überhitzung zu vermeiden.
Warum der Organismus vor allem bei erhöhter Aktivität der Abwehr die Körpertemperatur raufreguliert? Viele Stoffwechselprozesse und Abwehrmechanismen werden so aktiviert, z.B. erhöht sich die Aktivität der Fresszellen (einer Sorte Abwehrzellen). Eine höhere Temperatur macht auch direkt vielen Bakterien und Viren das Leben und die Vermehrung schwer. Ein eigentlich positiver Nebeneffekt von Fieber wird heute oft als besonders störend empfunden: Die Temperaturerhöhung macht schlapp und müde, denn der Organismus bzw. das Immunsystem leistet ja Schwerstarbeit, daher sollten wir die Signale für (Bett-)Ruhe befolgen, statt unter fiebersenkender Medikation „fleißig“ weiter zur Arbeit zu gehen, dies kann, ohne Übertreibung sogar lebensgefährlich sein.
Eine künstliche Fiebersenkung ändert nur etwas am Symptom, die Erreger bleiben unbehelligt. Tierversuche haben gezeigt, dass bei medikamentöser Fiebersenkung Infektionen länger dauern und häufiger zu Komplikationen – bis hin zum Tod – führen.
Besser ist es also, Fieber zuzulassen und den Heilungsprozess durch natürliche Maßnahmen zu unterstützen: In der Phase des „Aufheizens“, wenn der Patient friert, führen wir passiv Wärme zu (Zudecken) und fördern die aktive Wärmeproduktion mit wärmenden Tees (Holunder- und Lindenblütentee). In der nachfolgenden Schweißphase sind auch kühle Getränke hilfreich. Wichtig ist jedenfalls, in dieser Phase ausreichend zu trinken. Flüssigkeit hilft manchmal besser als ein Fieberzäpfchen! Wenn das Fieber gesenkt werden soll, kann die Wärmeabgabe des Körpers durch einen Wadenwickel verbessert werden. Dazu werden die Waden, nur sofern sie warm sind (!), mit einem feuchten Baumwolltuch umwickelt. Die Wassertemperatur sollte dabei nur leicht unter der des Patienten liegen – also nicht Eiswasser verwenden, da sich sonst die Gefäße engstellen und die Wärmeabgabe unterbunden wird. Die Wickel wechselt man alle 10–15 Minuten. Nach dreimal wechseln sollte Fieber gemessen werden, da eine schnelle Absenkung der Temperatur um mehr als 1 °C den Kreislauf belastet.
Und wie ist es nun bei Covid-19? Mich hat es schon gelegentlich „gejuckt“, einen eher ironischen Blog-Beitrag zu „F wie Fake-News“ zu schreiben, aber die Angst vor Missverständnissen und Anfeindungen schrecken mich ab, und es gibt ja von anderen Autoren bereits gute Beiträge dazu, z.B. von Giorgio Agamben bei Rubikon.
Zunächst hatte die europäische Arzneimittelbehörde EMA Ibuprofen für den Einsatz bei Covid-19 empfohlen. Dem widersprach der französische Gesundheitsminister mit dem Hinweis, Ibuprofen könnte den Krankheitsverlauf verschlechtern. Dies wurde wiederum von verschiedenen Professoren und Institutionen dementiert – und von Massenmedien begierig aufgegriffen, so dass die Warnung vor dem vorschnellen Einsatz fiebersenkender Medikamente dort zu „Fake-News“ hochstilisiert wurde. Wie so oft bei medialen Aufregungen, interessiert sich Tage oder Wochen später keiner mehr für die Aufklärung der damit verbundenen sachlichen Fragen, weil schon die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird (und man natürlich auch sich selbst nicht die Blöße geben möchte, übertrieben zu haben).
Anders glücklicherweise die Fachpresse. In „MMW Fortschritte der Medizin“ erschien im April ein Beitrag von Prof. Hartmut Göbel, der sich als einer der bekanntesten Schmerz- und Migränespezialisten mit Ibu & Co hervorragend auskennt. Der Artikel ist frei zugänglich, findet aber noch zu wenig Beachtung. Er schreibt:
„Bis heute gibt es keine genauen Erkenntnisse zwischen einem schädlichen Zusammenhang von NSAR und Covid-19. Gleichwohl sollte man Vorsicht walten lassen, da es ausreichende Evidenz für einen Zusammenhang zwischen der Gabe von NSAR und sowohl respiratorischen als auch kardiovaskulären Nebenwirkungen gibt. Die reflexartige standardmäßige Gabe von NSAR als primäre Option für die Behandlung von Symptomen von Covid-19 ist daher nicht zu empfehlen. Generell sollte die weitverbreitete Gabe von Schmerzmitteln im Rahmen der Selbstmedikation zur Fiebersenkung bei Erkrankungen der Atemwege in Frage gestellt werden. Fieber kann im Krankheitsverlauf eine Reihe von Vorteilen haben, die genutzt werden sollten.“ Göbel rät dazu, leichtes Fieber im Zusammenhang mit „Covid-19, Influenza und anderen Infekten des Respirationstraktes“ nicht zu senken: „Fieber kann Viren-Vervielfältigung hemmen.“ Stattdessen sollten Betroffene das Bett aufsuchen und sich schonen.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, oder vielleicht doch so viel: Ich finde es bemerkenswert, dass Covid-19 hier in einem „Atemzug“ mit Influenza und anderen Infekten des Respirationstraktes genannt wird. Ganz unaufgeregt, es handelt sich eben um eine Krankheit wie andere. Leider steht zu befürchten, dass im allgemeinen Klima der Angst vor Covid-19 nun auch die Angst vor Fieber wieder prämoderne Dimensionen annimmt.