S wie Summen

Das Prinzip kennen viele Menschen noch von klein auf: Summen beruhigt. Es reduziert Stress, fördert Entspannung und sogar den Schlaf. Was für kleine Kinder gilt, trifft auch auf ältere Menschen zu: Summen kann Blutdruck und Puls senken. Möglicherweise hat dies mit physiologischen Zusammenhängen zu tun, die noch gar nicht lange im Fokus der Wissenschaft sind. Summen führt offenbar zur vermehrten Ausschüttung von Stickoxid, was die Weitung der Blutgefäße begünstigt. Gleichzeitig wird die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff verbessert, zumindest sofern beim Summen tief geatmet wird – und darauf sollte man achten. Beim Singen würde man das Atmen wohl nicht „vergessen“, beim Summen dagegen kann das schonmal vorkommen.

„Jede*r kann singen.“ Mit diesem Credo pilgere ich schon einige Jahre durchs Leben, wohl wissend, dass manch eine*r das nicht glauben mag, weil sich ans Singen ungesunde Vorstellungen von Leistung, von musikalischem „Können“, von Bewertung geheftet haben – und weil freidraufloszusingen dementsprechend schambesetzt sein kann. Vielleicht ist das beim Summen etwas weniger der Fall. Und da man ja in vielen Kontexten derzeit corona-bedingt nicht Singen darf – wegen der Aerosole – ist vielleicht jetzt die Gelegenheit es einmal damit zu versuchen: Jede*r kann summen!

Summen hat eine Reihe von wissenschaftlich nachweisbaren positiven Effekten, etwa die Steigerung der Lymphzirkulation oder auch der Ausschüttung von körpereigenen positiv wirkenden Neuro-Botenstoffen (Endorphinen) und des „Bindungshormons“ Oxytocin. Wer sich dafür interessiert, findet einige Informationen im Literaturtipp unten. Aber vielleicht überzeugt Sie der Selbstversuch viel mehr als alle Theorie! Und es haben ja auch Kulturen, die noch nicht so sehr an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert waren wie die moderne Gesellschaft, das Summen geschätzt, als eine Art innere Klangmassage, als in-Schwingung-bringen des Organismus, auch als Heilung für belastete Organe oder Körperteile, zu denen die Schwingung „geschickt“ wurde.

Warum nicht einfach mal etwas versuchen, was sich bewährt hat? Wenn Sie für sich alleine testen, müssen Sie sich natürlich nicht an Corona-Auflagen halten, sondern können außer Summen auch Tönen, d.h. mit Vokalen experimentieren, deren allgemeine und je nach Laut auch spezifische Wirkungen im Organismus erforschen. Das Besondere beim Summen ist allerdings, die sich ausbreitende Schwingung, die „good vibrations“ zu fühlen. Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Lieder, die ich anleite, am Ende im Summen ausklingen zu lassen, es gibt oft eine noch mehr innerliche Wahrnehmung, ein vertiefter Kontakt mit sich selbst, auch eine stärkere Verbindung zu der „Botschaft“, die kurz davor in Worten gesungen wurde. Und diese Innerlichkeit kann man sich auch beim „reinen“ Summen zunutze machen.

Und wie geht das am Besten? „Stellen Sie sich vor, Sie haben den köstlichsten Bissen Ihres Lebens zu sich genommen und geben mit angenehmer und leiser Stimmung Ihre Begeisterung kund: ‚Mmmmmm‘.  Das ist Summen. … Wenn der Summton endet, nehmen Sie einen oder mehrere tiefe Atemzüge ins Zwerchfell, dann summen Sie erneut.“ (J. & A.Goldman) Sie sollten 15 Minuten einplanen: 5 fürs Summen, 5 für die Entspannung danach und 5 für die Rückkehr zum Alltagsbewusstsein. Das alleine reicht eigentlich schon. Aber dem Ausbau dieser Selbstheilkunst sind keine Grenzen gesetzt: Sie können das Summen mit innere Bildern (Visualisierungen) oder stillen Mantren verbinden, in gewisser Weise ähnlich zu den „Mantren“, mit denen wir eine achtsamkeitsbetonte Atembeobachtung begleiten: „Ich atme ein und schenke mir ein Lächeln, ich atme aus und lasse noch mehr los, die Welt ist voller Wunder.“ (frei nach Thich Nhat Hahn) Es sollte dadurch kein Stress entstehen, sondern das Mantra darf das Wohlfühlen noch ganzheitlicher machen: „ich bin dankbar für diesen Moment“, „ich vertraue auf das Leben“ …

Buch-Tipp: Jonathan und Andi Goldman, Heilsames Summen. Klangmassage für Körper und Seele, Murnau 2018 – sehr vielfältig und reichhaltig, von wissenschaftlichen Erkenntnissen bis einfachen Übungen, mit weiterführenden Verweisen und einem Stichwortregister (ich liebe Stichwortregister).