Die Psychologie tut sich nach wie vor schwer mit dem Begriff, als Diagnose fristet „Burnout“ ein Schattendasein. Dabei finden viele Patienten ihren Zustand damit treffend beschrieben: Man fühlt sich durch Dauerbelastung derart „ausgepowert“, dass Erholung – Freizeit oder Urlaub – nicht mehr möglich scheint, die Lebensfreude abhandengekommen ist und selbst die beste Medizin der Welt: Schlaf nicht mehr hilft (oder sich nicht mehr einstellt). Depression durch Erschöpfung. Manche Fachleute sagen allerdings, es verhalte sich eher umgekehrt.
Die künftige amtliche Diagnose wird Burnout auf Überlastung am „Arbeitsplatz“ einschränken – ein ziemlich überholtes und männliches Verständnis von „Arbeit“. Mit Überarbeitung allein hat Burnout ohnehin wenig zu tun. Sicher macht Dauerstress krank, unser Organismus braucht Erholungsphasen, das Nervensystem muss sich zwischendurch abregen, der Stresshormonlevel sinken. Aber was hindert sie daran? Erwartungen von außen – und in uns. Burnout kann das Ergebnis sein, wenn wir ständig über unsere Grenzen gehen und dabei doch nie oder nur für sehr kurze Zeit den Zustand erreichen, „dass es mal gut ist“.
Betroffene scheinen wie freiwillig vor die Wand zu fahren. Sie selbst sagen: „Ich habe keine Zeit für mich.“ Keine Zeit zu spüren. Vielleicht kennen Sie den Aphorismus zum Sinn psychosomatischer Symptome: „Sag’s Du ihm“, bittet die Seele den Körper, „auf mich hört er nicht.“ Aber manchmal scheint der Körper von Burnout-Gefährdeten zu antworten: „Tut mir leid, auf mich hört er auch nicht mehr.“ Ja, als Beobachter hat man leicht reden …
Dean Ornish, erst Herzchirurg dann Pionier einer medikamentenfreien Herztherapie durch Naturheilkunde (mit Ernährung, Entspannung, Selbstfürsorge und Bewegung), machte die Erfahrung, dass manche Patienten „lieber“ sterben, als von den überhöhten Ansprüchen an sich selbst (z.B. erster zu sein, immer 1A-Arbeit abzuliefern) und unrealistischen Erwartungen an andere (z.B. nach Liebe vom Chef oder vom Kunden) Abstand zu nehmen.
Menschen im Burnout fühlen sich oft als Opfer eines „Systems“: der Familie, die zu viel will, der Arbeit mit immer höheren „Zielen“ usw. Ja, das Syndrom hat viel mit Fremdbestimmung zu tun. Doch dem Burnout geht meist auch eine Härte gegen sich selbst voraus. Burnout verhindern würde bedeuten: Sanft zu sich selbst zu sein – und sich dazu im nächsten Schritt auch zu bekennen. Aber ein solcher „SanftMut“ ist ein Wagnis, diesen Mut haben wir oft (noch) nicht, vielleicht erst nach Überwindung der psychischen Krise. Die Krise mal wieder als Chance? Muss es erst soweit kommen?
Das Bild, dass beim Burnout „Akkus wieder aufgeladen werden müssen“, halte ich nicht für besonders zutreffend. Es geht eher um ein Feuer, das erloschen oder weitgehend abgebrannt ist. Oft handelt es sich um das „Feuer des Lebens“. Wenn wir nicht mehr das Gefühl haben, unser Leben zu leben, also eines, das mit unseren Träumen, Bedürfnissen und Wünschen zu tun hat, mit existentieller Selbstbestimmung, dann erlischt das Feuer eben viel schneller. Neben Sanftmut zu sich selbst bräuchte es also auch eine Selbsterforschung: „Was brauche ich, was wünsche ich mir, wovon träume ich … und was tue ich dafür?“
Regelmäßige kleine und größere Atempausen können zwar bisweilen Wunder bewirken, aber wenn sie nur als Technik der Leistungssteigerung dienen und an unserer Perspektive nichts ändern, schützen sie gewiss nicht vor Burnout. Wir müssen uns immer wieder den großen Lebensfragen stellen. Und uns verändern. „Veränderung beginnt mit der Ehrlichkeit gegenüber den eigenen Gefühlen.“ (Virginia Satir)
Mein Tipp: Vielleicht haben Sie das Gefühl, Ihre erschöpfte Verfassung sei maßgeblich auf körperliche Faktoren zurückzuführen. Dann gehen Sie diesem Verdacht nach! Lassen Sie Schilddrüsen- und Leberwerte bestimmen, ihre Eisen- und Vitamin-B-Werte überprüfen und anderes mehr. Falls Sie dazu mehr wissen wollen, empfehle ich Ihnen die Bücher von Dr. Volker Schmiedel zum Thema Burnout. Eine psychologische Beratung hat dagegen erst dann gute Chancen auf Erfolg, wenn Sie selbst überzeugt sind, dass in diesem Bereich die Hauptursache zu finden ist.