F wie Feedback

Feedback ist das englische Wort für Rückmeldung. Unser Alltag ist voller Feedbacks. Heute denken wir vielleicht zuerst an Kundenfeedback – und an die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind: dass z.B. bei manchen Dienstleistungen die unzufriedenen Kunden überproportional Feedback hinterlassen, während die Zufriedenen gut leben können, ohne Feedback zu hinterlassen. Aber es gibt auch das umgekehrte Phänomen: das z.B. Veranstaltungen verzerrend positiv dargestellt werden, weil die Teilnehmer den Referenten oder die Moderatorin nett fanden und diesen keinen Ärger bereiten wollen. Ganz zu schweigen von der Fülle an gefaktem positivem Kundenfeedback im Internet und dem modernen Missbrauch des Feedback-Instruments durch viele Unternehmen.

Hier und heute soll es ausschließlich um das Feedback im Rahmen der Gruppentherapie gehen. Denn Feedback ist so etwas wie der Motor der Gruppentherapie. Vielleicht sagen Sie jetzt: „Halt mal, was ist mit Konflikten? Sind diese nicht auch ein Motor?“ Jein. Darauf kommen wir zurück.

Beim Feedback antwortet der Mitpatient auf die Frage: „Was macht das, was ich gerade von Dir gehört habe, mit mir?“ Das nennen wir „Feedback vom Herzen“ her. Dabei geht es um Gefühle und Impulse, die ausgelöst werden, nicht um Geschichten – denn andernfalls, schwupps, wären wir gar nicht mehr beim Klienten, der Feedback erhält (nennen wir ihn oder sie Protagonist/in). Ein Feedback kann durchaus mit den Worten beginnen „ja, bei mir war das genauso …“, dies sollte aber nicht der Auftakt dazu sein, lang und breit aus dem eigenen Leben zu erzählen.

Eine einfache Form des Gruppenfeedbacks ist die Abstimmung: „Wer kennt das auch …?“ So lernt der Patient, der sich gerade geöffnet und mitgeteilt hat, dass er mit seinen Problemen und Herausforderungen nicht allein ist.

Mitpatient heißt wörtlich übersetzt „Mitleidender“, und tatsächlich geht es beim Feedback viel um die Äußerung von Mitgefühl. Oft bedeutet dies auch, dass Mitpatienten stellvertretend für den Protagonisten etwas fühlen, was diesem (gerade, noch) nicht möglich ist. So kommt es, dass etwa Mitpatienten starke Trauer, Angst oder Wut äußern, obwohl die Protagonistin ihre Geschichte ganz rational-sachlich dargestellt hatte (z.B. weil sie ihre Gefühle abspaltet).

Feedback dient aber nicht nur dem Mitgefühl, so fundamental wichtig dies ist, sondern auch dem Finden neuer Perspektiven. Indem der Patient im Mittelpunkt erfährt, wie andere ihn (sie) und sein (ihr) Erleben wahrnehmen, kann er (sie) vielleicht erkennen, dass andere etwas sehen, was er (sie) noch nicht sieht. Diese Erforschung des eigenen blinden Flecks und der eigenen Schattenseiten kann mit Freude, aber auch mit Scham verbunden sein. Manchmal beides gleichzeitig, wenn etwa Mitpatientinnen mit Anerkennung und Ärger zum Ausdruck bringen, dass der Protagonist schon sehr viel erreicht hat (im Leben oder in der Therapie), aber kein einziges Kompliment diesbezüglich annimmt, sondern sich immer wieder selbst abwertet (und damit auch die Wahrnehmung seiner Mitmenschen). 

Es geht also nicht nur um die Frage „Was macht es mit mir?“, sondern auch „Wie erlebe ich Dich?“ –gewissermaßen um eine Ich-Botschaft über das Du. Der Empfänger kann das Feedback annehmen oder als bedeutungslos verwerfen. Er darf es aber weder kommentieren noch korrigieren! Darauf müssen wir als Gruppenleiter (Therapeuten) achten: Feedback bleibt stehen! Andernfalls würde der Feedback-Prozess schnell versiegen, weil gerade heikle Aussagen und speziell von weniger mutigen Gruppenmitgliedern aus Angst vor Korrektur und Kommentar zurückgehalten würden.

An dieser Stelle bekommen wir eine Idee davon, dass es sich bei Feedback, obwohl es scheinbar einseitig ist, de facto um einen Geben-und-Nehmen-Prozess handelt: auch der Feedback-Geber bekommt ganz viel, nämlich Bedeutung, Wichtigkeit, Ernstnahme. Gerade für noch unerfahrene Gruppenmitglieder ist die Erfahrung, so wichtig zu sein, dass ihr Wort gehört werden will und für die ganze Gruppe wichtig ist, der Anfang vom Gefühl für Selbstwirksamkeit und Selbstanerkennung. Als Therapeut habe ich es schon vielfach erlebt, wie Mitpatienten, die gerade Feedback geben, sich in diesem Moment völlig verwandeln: Es geht eine kraftvolle Aufrichtung durch sie, sie werden präsent. Daher lade ich manchmal Mitpatientinnen, die noch zu schüchtern sind, um sich ganz von alleine zu äußern, zum Feedback explizit ein: „Ich würde gerne auch von ihnen etwas dazu hören …?!“ Allerdings muss man mit solchen Extra-Einladungen sparsam sein.

Irvin Yalom, sozusagen der Übervater der modernen Gruppentherapie, hat sich bei seinen Standardwerken nicht nur auf einen Riesenfundus von eigener Erfahrung gestützt, sondern auch zahlreiche Studien begleitet, selbst geleitet und ausgewertet. Ergebnis einer dieser Erhebungen war eine Art Top-Ten-Liste: Welche Faktoren Teilnehmer von Therapiegruppen am nützlichsten empfunden haben. Die ersten drei Plätze belegten Aspekte, die unmittelbar mit Feedback zu tun haben: 1. Durch Gruppentherapie konnte ich Anteile von mir entdecken oder akzeptieren lernen, die mir zuvor unbekannt waren oder die ich abgelehnt hatte. 2. Ich konnte endlich sagen, was mich quält, statt es noch länger für mich zu behalten. 3. Andere Teilnehmer haben mir ehrlich gesagt, was sie über mich denken. Wenn man Platz 1 und Platz 3 zusammenrechnet (und berücksichtigt, dass auch bei den Plätzen 4 bis 10 der Aspekt „mich selbst besser verstehen lernen“ in verschiedenen Varianten zum Ausdruck kam), lässt sich erahnen, wie unfassbar bedeutend Feedback ist.

Doch wie funktioniert es konkret oder wie könnte es funktionieren? Manchmal ist es leichter zu sagen – und wird von den Patientinnen auch leichter verstanden –, was Feedback nicht sein sollte: Keine Ratschläge, keine Interpretationen, keine Nachfragen! Verkehrt sind diese Regeln nicht. Denn das, was der Patient im Mittelpunkt, der Feedback bekommt, erlebt und teilt, darf einfach so da sein und wird von den Mitpatienten gefühlt und gehalten (siehe Punkt 2 der Top Ten). Das authentische Erleben des Protagonisten soll weder mit Tipps und Lösungen weggemacht oder banalisiert noch mit Interpretationen und Nachfragen zerredet werden. Mit Regeln zum Feedback ist es allerdings so, wie mit anderen Regeln auch: Es gibt Ausnahmen. Man kann die Regeln nicht als absolute Gesetze handhaben. Dazu drei Beispiele.

Erstens: „Du sollst beim Feedback keinen Rat geben!“ Das ist eine sinnvolle Regel (weil es z.B. extrem wichtig ist, die erlebte Ohnmacht des Protagonisten auszuhalten, das Schicksalhafte des Lebens wirklich als Gefühl zu teilen). Andererseits habe ich es vor allem in ambulanten Gruppen mehrfach erlebt, wie unglaublich hilfreich pragmatischer Rat erlebt wurde und de facto war (z.B. bei der Suche nach einem ambulanten Therapieplatz, aber auch beim Umgang z.B. mit einer übergriffigen oder manipulativen Mutter). Außerdem, selbst wenn der Rat meist eher untauglich ist, verrät das Engagement, mit dem er vorgetragen wird, viel über das Interesse und die Anteilnahme, die der Sprecher an dem nimmt, den er berät – und das tut dem Protagonisten manchmal sehr gut, obwohl er mit dem Rat selbst nichts anfangen kann.

Zweitens: „Feedback darf man nicht ungefragt gebeten. Du musst erst um Erlaubnis fragen!“ Auch das ist zunächst eine sinnvolle Regel, denn der Empfänger des Feedbacks muss überhaupt aufnahmebereit und -fähig sein. Andererseits steckt hinter der generellen Abwehr von Feedback durch den Protagonisten manchmal ein Vermeidungsverhalten, dass wir als Gruppenleitung nicht fördern dürfen. Dabei kann es sich z.B. darum handeln, dass eine Patientin, die sich immer selbst abwertet und auch ihre erfolgreichen Schritte in der Therapie gleich wieder negiert, von anderen hören „muss“, wie es sich in der Außenperspektive darstellt. Oder ein Patient, der durch seine anhaltende passive Aggression bei anderen Gruppenmitgliedern viel Ärger auslöst, muss mit diesem Ärger konfrontiert werden und umgehen lernen.

Drittens: Oft ist es also keine Frage, ob Feedback erlaubt ist, sondern wie es gegeben wird. Die Regel lautet: „Gruppenmitglieder müssen ihre Gefühle und Bedürfnisse in Ich-Botschaften ausdrücken!“  Schon, schon. Doch was ist eine echte Ich-Botschaft? Aus der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) kennen wir es nur zu gut, dass eine scheinbare Ich-Botschaft, die vom eigenen Gefühl handeln soll, tatsächlich eine Du-Botschaft ist und von Pseudogefühlen und Interpretationen handelt. Wenn jemand sagt: „Ich fühle mich verletzt“ handelt es sich meist nicht um ein echtes Gefühl (wie Angst, Wut, Trauer, Scham), sondern um ein Pseudogefühl, das echte Gefühle abwehrt – und auch nicht um eine Ich-, sondern um eine Du-Botschaft mit der Bedeutung: „Du hast mich verletzt“.

Für uns Therapeuten bedeutet dies, dass wir häufiger als Übersetzer einspringen müssen (echte Gefühle benennen oder anbieten), dass wir grundsätzlich nicht von einem stets perfekten, regelkonformen Feedback-Prozess ausgehen sollten, sondern uns mit weniger zufrieden geben – und dass wir keinen Schreck bekommen sollten, wenn der Feedback-Prozess mal im Konflikt mündet.

So beantwortet sich auch die anfängliche Frage nach der Rolle von Konflikten. Konflikte können die Gruppentherapie und den Therapieprozess ihrer Teilnehmer ebenfalls so stark vorantreiben, dass sie den Titel „Motor“ verdient hätten. Nennen wir sie hier Katalysator: sie tauchen auf, heizen den Prozess an, und verschwinden hoffentlich wieder weitgehend, denn massive Konflikte sollten die Gruppe nicht ständig beschäftigen. Gerade bei Gruppenkonflikten ist es besonders wichtig, dass die Teilnehmer in einfacheren Phasen gelernt haben, Feedback zu geben und Feedback anzunehmen – nichts wegmachen, nichts zerreden, nichts rechtfertigen. Mit einer gewissen Gelassenheit feststellen können: „Aha, so ist es also für Dich …“ Es braucht bei Konflikten Vertrauen in den Gruppenprozess, und dies entsteht am einfachsten durch die Erfahrung kontinuierlichen Feedbacks.