V wie Vitamin D

Als langjähriger Heilpraktiker und schreibender Naturheilkundler, als Redaktionsleiter und schließlich Vortragsmanager bei einem Hersteller habe ich mich jahrelang intensiv mit Vitamin D befasst. Über die Zeit hat sich die öffentliche Wahrnehmung des Vitamins fundamental geändert, ebenso der Umgang damit in weiten Teilen der gesundheitsbewussten Bevölkerung. Vermutlich wird die Mehrheit der Leser:innen meines Blogs Vitamin-D-Fan sein, ansonsten wird es höchste Zeit: In der Rubrik Gesundheitsratgeber gibt es einen kurzen Artikel zum (kostenlosen) Download. Vitamin D ist „mega“, allerdings, es gibt auch Einschränkungen.

Sommerzeit ist Zeit für Vitamin-D-Eigenproduktion: Von Anfang April bis Ende September können wir in unseren Breiten, wenn wir täglich mit z.B. unbekleideten Armen und Beinen 10 bis 20 Minuten in der Mittagssonne verbringen, ausreichend das Sonnenhormon Vitamin D produzieren. Die reine Wohltat! Und das besonders Gute daran: Der Körper begrenzt die Produktion automatisch, d.h. wir können nicht überdosieren (daher macht ausgiebiges Sonnenbaden auch Vitamin-D-technisch keinen Sinn). Die Selbstregulation ist immer ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Einnahme von Präparaten.

Nun haben einige Experten (z.B. Prof. J. Spitz) jahrelang so getan, als könne man Vitamin D praktisch gar nicht unterdosieren, vor allem weil die Vitamin-D-Spiegel bei der riesengroßen Mehrheit erschütternd niedrig waren, was sich seither zum Teil gewandelt hat. Vitamin D findet sich heute als zusätzliche Zutat in vielen Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), aber z.B. auch in Fruchtsäften. Kaufte man früher ein gängiges Vitamin-C-Präparat fürs Immunsystem, war darin manchmal schon Zink enthalten. Vitamin C ist hoch zu dosieren ist nicht so problematisch, weil der Körper es ausscheidet (Durchfall). Doch heute findet sich im gleichen bzw. Nachfolge-Präparat außerdem Vitamin D und Selen – das ist einerseits plausibel, da man damit die vier wichtigsten Mikronährstoffe fürs Immunsystem beisammen hat, andererseits kann dies zu Überdosierungen führen, z.B. wenn verschiedene NEM eingenommen werden oder die Betreffenden außer Multipräparaten noch Vitamin D separat zuführen. Vitamin D ist fettlöslich und wird gespeichert. Auch dies macht der Körper ja „von Haus aus“ selbst: im Sommer für den Winter bunkern (nur in der Regel bei uns nicht genug).

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum ich heute nicht nur weiter Vitamin D anpreise, sondern zugleich auch vor bedenkenloser Einnahme ohne Rücksicht auf die Dosis warne. Im oben erwähnten Artikel zum Download, der 2019 in „Gesund Leben in Oberursel“ erschien habe ich noch eine „Faustformel“ empfohlen, anhand derer man gewissermaßen auch ohne Blutkontrolle Vitamin D dosieren könne. Davon nehme ich heute Abstand, zumindest insofern, dass man sich nicht darauf allein verlassen kann. Vitamin D ist wichtig, aber Kontrollieren der Blutwerte auch! (Das haben im Übrigen die Experten schon immer gesagt, auch weil sie es selbst genauer wissen wollten.)

Ich selbst habe mich jahrelang an meine eigene Faustformel gehalten, mit der ich deutlich unter der in naturheilkundlichen Kreisen gängigen Empfehlung von 4000 IE pro Tag (im Winterhalbjahr) lag. Im Grunde war ich sogar oft etwas nachlässig und habe selbst für meine eigene Wahrnehmung eher zu wenig eingenommen, im Schnitt zwischen 1000 und 2000 IE täglich in der dunklen Jahreszeit, also bestenfalls eine Art Erhaltungsdosis. Umso mehr war ich von Jahr zu Jahr und von Mal zu Mal erstaunt, wie hoch dennoch meine Blutwerte waren und stiegen, erst über 30 ng/ml, dann über 40 ng/ml. Und jetzt kommt’s: Als ich im Februar 2023 wieder einen Test machen ließ, lag er bei knapp 150 ng/ml – und daneben stand mit Ausrufezeichen „toxisch“, also gefährlicher Wert, Vitamin-D-Vergiftung. Ich lebe noch, lebe gut, bin nicht in Ohnmacht gefallen, glaube auch, dass es vermutlich gesünder ist, als chronisch unterversorgt zu sein, aber ganz risikofrei ist das definitiv nicht, schließlich hat Vitamin D massiven Einfluss auf die Blutkalziumwerte, damit letztlich auch auf Herz- und Nierenfunktion (natürlich am bekanntesten auf den Knochenbau). Kurzum, ich kam ins Grübeln.

Länger schon ist bekannt, dass die Formeln, nach denen eine gewisse Dosis über einen Zeitraum genommen zu bestimmten Blutwerten führen sollen, bestenfalls für die Hälfte der Konsumenten gilt. Es gibt, vereinfacht gesagt, schlechte Verwerter, die nicht genug Vitamin D aus den Präparaten aufnehmen (also von Standarddosierungen nicht profitieren), aber offenbar auch solche, die hocheffizient und deutlich überdurchschnittlich mit dem angebotenen Vitamin D umgehen und es speichern. Dazu kam bei mir vermutlich, dass ich irgendwann von Tabletten auf Vitamin-D-haltiges Öl umgestiegen bin, das wird zwar besser verwertet, ist aber schwerer exakt zu dosieren. So kann aus einer noch halbwegs plausiblen Pi-mal-Daumen-Formel irgendwann ein Herumdoktern im Nebel des Meinens und Fühlens werden – sofern nicht (engmaschiger) kontrolliert wird.

Fazit: Sie und Ihr(e) Behandler(in), wenn es eine(n) gibt, sollten wissen, woran Sie wirklich sind mit ihrem Vitamin-D-Wert! D.h. es geht heute nicht mehr seriös ohne Bestimmung der Blutwerte, falls sie Vitamin D separat zu sich nehmen. Wie oft messen? Zumindest einmal im Jahr. Im ersten Jahr empfehle ich ein kürzeres Intervall, also am Anfang und am Ende des Winters.

Back to the summertime: In der Sommerzeit brauchen und sollten Sie m.E. – bei einer halbwegs naturgemäßen Lebensweise – sowieso nichts einnehmen, da es aus vielen Gründen besser ist, sich mäßig und regelmäßig der Sonne auszusetzen (mäßig bedeutet: auf jeden Fall ohne Sonnenbrand!), entsprechend des jeweiligen Hauttyps. Dies wirkt nachweislich auch stimmungsaufhellend. Womit wir bei meinem Lieblingsthema wären 🙂