H wie Hypotonie

In jungen Jahren hatte ich an manchen Tagen ein unerklärliches Tief oder sagen wir, Erklärungen hätte es viele geben können. Einmal besuchte ich an einem solchen Tag einen – noch jüngeren – Freund, der trotz seiner Jugend schon an Bluthochdruck litt, und spaßeshalber wurde ich auch mal gemessen: Da wurde mir klar, dass es für meine Mattigkeit noch eine Erklärung mehr gab als Weltschmerz und der allgemeine Blues.  

Hypertonie (Bluthochdruck) kennt jede*r oder sollte jede*r kennen. Die Hypotonie allerdings, sozusagen das Gegenteil davon, ist manchmal „gefühlt“ viel unangenehmer – die Betroffenen leiden u.a. unter kalten Händen und Füßen, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und totalem Schlappsein. Sie wird medizinisch oft bagatellisiert, da sie kein tödliches Herz-Kreislauf-Risiko darstellt: Die Lebenserwartung ist höher als beim Rest der Bevölkerung, wobei das natürlich nur auf die zutrifft, die zeitlebens mit dem Problem kämpfen, was eher die Ausnahme sein dürfte. Ältere Menschen leiden eher kurzzeitig unter niedrigem Blutdruck (oder wegen Medikamenten), dagegen sind die typischen Betroffenen einer länger anhaltenden Hypotonie jung.  

Von einer Hypotonie spricht man, wenn die Blutdruckwerte bei Männern unter 110:70 mg/Hg, bei Frauen unter 100:60 mm/Hg liegen. Zustände von akutem oder vorübergehendem niedrigen Blutdruck gibt es eine ganze Reihe, z. B. durch Ohnmacht, bedingt durch langes Stehen ohne Bewegung (das Blut versackt dabei in den Beinvenen) oder bei hohem Fieber, bei Flüssigkeitsmangel (nach Durchfall oder Blutverlust) und nach Infektionskrankheiten.

Medizinisch bedeutsam sind auch die durch Medikamente ausgelösten Formen von niedrigem Blutdruck: In Frage kommen als Verursacher Diuretika – diese Entwässerungsmittel verstärken die Salz- und Wasserausscheidung –, aber auch Betablocker sowie letztlich alle Blutdrucksenker, sofern sie überdosiert werden. Wer sich unter der Behandlung mit Betablockern unendlich schlapp und nahezu trübsinnig fühlt, bekommt eine Idee, wie es manchen Hypotonie-Betroffenen gehen könnte.

Ältere Menschen leiden selten an einer konstanten Hypotonie, dafür umso häufiger an einem kurzfristigen Blutdruckabfall beim Aufstehen und bei längerem Stehen. Das tritt durchaus auch mal beim Bluthochdruck-Patienten auf und kann für schwerwiegende Folgen sorgen, etwa wenn die Betroffenen stürzen – ähnlich wie dies auch unter zu strenger Einstellung mit Blutdrucksenkern passiert.

Doch nun zur typischen Hypotonie-Patientin: Sie ist jung, weiblich und schlank bis untergewichtig. Für die Pubertät gilt das Problem gewissermaßen als „normal“, und ist an sich tatsächlich nicht besorgniserregend, kann allerdings vorübergehend mit beträchtlichen Einbußen an Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbunden sein. Und manchmal ist es eine Nebenerscheinung von ernsthafteren Problemen wie Essstörungen.

Eine medikamentöse Therapie der Hypotonie scheidet aus, weil die in Frage kommenden Arzneien nebenwirkungsreich sind. Daher setzt die Medizin primär auf einen angepassten Lebensstil. Mehr Trinken, mehr Salz, Kneippsche Maßnahmen (kalte bzw. wechselwarme Wasseranwendungen) und körperliches Training helfen: Durch das Training normalisiert sich der Blutdruck zwar nicht unbedingt, aber die Symptome reduzieren sich.

Trinken ist gewissermaßen ein „Notfallmedikament“: Relativ zügig 1/4 bis 1/2 Liter Wasser trinken, hebt den Blutdruck kurzfristig deutlich (innerhalb von 10 Minuten). Aber auch ausreichendes Essen ist wichtig! Zwar sinkt nach üppiger Mahlzeit der Blutdruck, was bei älteren Leuten beim Aufstehen vom Esstisch schon mal zu einem Schwächeanfall führen kann, doch das größere Problem mit dem Essen besteht in der Tendenz zur Unterernährung bei etlichen der jungen Patientinnen und verstärkt oder verfestigt die Hypotonie.

Heilpflanzen können ergänzend helfen: Als prominenteste unter ihnen kommt der Rosmarin in Frage. Er wirkt kreislaufanregend, gefäßstärkend sowie herzkräftigend und wird sowohl innerlich (Tee) als auch äußerlich angewandt (Teil- und Vollbäder, Salben), allerdings nicht bei Krampfadern, da die Durchblutungsförderung die Venen erweitert. Rosmarin enthält als einen der zentralen Wirkstoffe Campher. Dieser ist auch „die“ Zutat verschiedener Herz-Kreislauf-Tropfen, welche bei kurzfristigem Blutdruckabfall, Kreislaufschwäche, Ohnmachtsneigung etc. mit Erfolg eingesetzt werden. In der Regel enthalten diese Medikamente außerdem Weißdorn (Crataegus), eine Heilpflanze, die das Herz stärkt und eine leicht blutdruckregulierende Wirkung hat, d. h. sowohl bei hohem als auch bei niedrigem Blutdruck hilft. Solches wird auch der Mistel nachgesagt: Sie soll bei hohem und niedrigem Blutdruck stabilisierend wirken. Das darf man sich aber nicht wie Wirkungen eines synthetischen Medikaments (etwa Blutdrucksenker) vorstellen.

Übrigens können Symptome der Mattigkeit viele Ursachen haben. Man sollte daher bei entsprechenden Beschwerden sicher sein, dass es sich unter anderem nicht um Schilddrüsenunterfunktion, Eisenmangel, Depression oder Herzinsuffizienz handelt. Bei jungen Frauen ist v.a. an Eisenmangel zu denken, zumal wenn sie sich in einer entschieden vegetarischen Phase befinden. Daher steht hier wieder einmal der Hinweis, dass die Beiträge dieser Website weder zu Selbstdiagnose und Selbsttherapie ermuntern noch den Besuch bei Arzt oder HP ersetzen sollen! Weitere Haftungsausschlüsse finden Sie im Impressum.