Gefühle verraten uns, wie es um unsere Bedürfnisse steht. Angst verrät, dass um unser Bedürfnis nach Sicherheit schlecht bestellt ist. Also sollten wir etwas für unsere Sicherheit tun. In diesem Sinne gilt das Motto: „Wo die Angst ist, geht’s lang.“ Viele Patientinnen und Patienten spüren aber am Anfang der Therapie kaum ihre Gefühle. Es geht ihnen „gut“ oder „schlecht“ oder „es passt schon“, das war’s vorerst. „Passt schon“ ist die Folge der von klein auf erlernten, bisweilen pathologischen Anpassung.
Wut, Trauer, Angst – eines von diesen drei unerwünschten Grundgefühlen kennt aber doch jede(r). Wenn nicht einmal diese gespürt werden, wie manchmal bei Depressionen, dann kann ich als Therapeut sie doch „provozieren“ (klingt schlimmer als es ist, z.B. benennen, dass ich gerade wütend oder traurig werde). Über die Wut kommen wir zur Trauer (oder umgekehrt) und darauf zur Angst, zum Beispiel. Und im Laufe der Therapie entdecken wir eine Vielfalt an Gefühlen, auch die teilweise tabuisierten, wie Eifersucht.
Wenn man ein Gefühl nicht richtig kennt, kann man es schlecht identifizieren. Da ich mit Eifersucht lange Zeit nur „krankhafte“ Formen verband, habe ich „harmlosere“ Formen eifersüchtiger Anwandlung an mir genauso lang nicht entdecken können. Erst nachdem ich immer wieder Patientinnen zugehört und sie erlebt habe und beim „Spiegeln“ feststellen musste: „Hallo, ich glaube, hier handelt es sich um Eifersucht“, habe ich mich selbst auch anders wahrgenommen. Dank an die Frauen, die im Großen und Ganzen immer noch eher als Männer einsehen können, dass sie eifersüchtig sind – und das Problem angehen. (Es gibt auch Männer, die um ihre Eifersucht wissen, meist da diese derart ausgeprägt ist, dass sie nicht verborgen bleiben kann, z.B. wenn sie zu Gewalt führt, aber diese Männer kommen, wie Männer generell, viel seltener in Psychotherapie.)
Auf einmal erkannte ich es bei mir: Ich wurde eifersüchtig, als eine Kollegin, mit der ich mich bisher super verstanden hatte, sich scheinbar noch besser oder fröhlicher mit einem anderen Kollegen austauschte und seine Nähe suchte. (Hier spielt weniger eine Rolle, wie die Geschlechterbesetzung ist, es können auch alle Beteiligte nur Männer oder nur Frauen sein.) Es könnte sein, dass die beiden sogar besser zusammenpassen! Oh Gott, schrecklich. Vor allem schrecklich, wie mir das peinlich ist, solche Besitzansprüche zu haben. Aber, pssst, wir sind ja hier unter uns. Sie verraten mich nicht 😉
Bei Eifersucht denken viele sofort an krasse oder krankhafte Formen, wo das betreffende Subjekt völlig übertreibt und durchdreht, obwohl dafür „eigentlich“ kein Anlass besteht. Darüber wird leicht vergessen, dass es durchaus berechtigte Fälle von Eifersucht gibt. Und: dass wir alle im Laufe des Lebens mit Eifersucht zu tun haben; dass Eifersucht nicht automatisch ungerechtfertigte oder übermäßige Besitzansprüche signalisiert, sondern primär das berechtigte Bedürfnis nach einer stabilen Beziehung zu den von uns geliebten Menschen.
Nebenbei, die Stabilität in den Beziehungen ist oft auch Grund und Ursprung von Eifersuchtsgeschehen. Wenn Partner zu sehr in eingespielten Rollen leben, kann es dem ein oder anderen schon mal zu einseitig sein. Ein alter Klassiker (v.a. bei traditioneller Geschlechterteilung): Der Mann ist in erster Linie Ernährer und Familienvater, hat das Haus gebaut und bastelt nun weiter daran herum, die Frau wusste das immer zu schätzen, aber jetzt ist es ihr zu wenig. Oder aber die Frau ist in erster Linie Hausfrau, der Mann wollte es so, aber jetzt reicht es ihm nicht mehr. Die aktive Umgestaltung von Partnerschaften wäre sicher ein probates Mittel gegen Fremdgehen in Gedanken oder Taten und damit gegen unnötige Eifersucht, doch das ist leichter gesagt als getan.
Die meisten von uns erleben Eifersucht bereits in der Kindheit: in der Familie, im Kindergarten, im Freundeskreis und immer so weiter. Angenommen, Sie sind die Erstgeborene und bekamen nach zwei Jahren ein Geschwisterchen. Egal, wie umsichtig und empathisch die Eltern Sie vorbereitet haben und Sie in die Vorfreude mit einstimmen ließen: Recht bald tauchten auch Gefühle der Angst auf, nicht mehr so wichtig zu sein. Eifersucht. Dann ist entscheidend für später, wie damit umgegangen wurde, ob dies sein durfte und wie den zugrundeliegenden Bedürfnissen entsprochen wurde. By the way: Eifersucht kann sich auch in späteren Jahren noch auf die Elterngeneration beziehen. Eine Frau oder ein Mann können durchaus eifersüchtig auf ihre Schwiegermutter sein, zurecht oder nicht, gesund oder gestört.
Gibt es sichere Kriterien für gesund vs. gestört bei Eifersucht? Nein, zumal wir als Therapeuten oft nur einen Ausschnitt sehen. Allerdings erkennen wir psychische Störungen meist daran, dass sich Lebensereignisse wiederholen: die dritte Partnerschaft, das dritte Eifersuchtsdrama. Eine Störung zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass sie viel zu viel Lebenszeit und Lebensenergie frisst und der Betreffende und evtl. sein Umfeld darunter leiden. Eine Patientin mit Essstörung mag mir noch so detailliert und mit geschliffenen Argumenten beweisen, warum sie keine Störung hat, bis ich die Antwort auf die Frage erhalte: „Wie viel Zeit pro Tag beschäftigen Sie sich damit?“ Bei Verliebtheit (im Grunde kann man sie auch als Störung sehen, wenn sie dieses Kriterium erfüllt) und Eifersucht ist es ähnlich, ebenso bei vielen Angst- und Zwangsstörungen.
Wenn wir es in der Therapie mit erkennbar krankhaften Formen von Eifersucht zu tun haben, lohnt also der Blick auf die individuelle Geschichte dieses Gefühls. Gibt es dramatische oder gar traumatische Vorerlebnisse, etwa dass die Schwester vom Vater immer bevorzugt wurde? Es kann sich auch um ein Erlebnis aus Schulzeiten handeln: dass die beste Freundin von einer anderen Mitschülerin „ausgespannt“ wurde. Typisch für Situationen, in denen sich Klienten auffällig unangemessen verhalten, wäre etwa die Frage: „Wie alt fühlen Sie sich gerade?“
Man könnte sagen, Eifersucht ist eine Form von Angst, eventuell verbunden mit unterschiedlichen Anteilen von Wut, Trauer oder Scham. Letztere trägt, als ebenfalls tabuisiertes Gefühl, wahrscheinlich erheblich dazu bei, dass Eifersucht verdrängt und verleugnet wird: Eifersucht scheint unseren Idealen und Werten von Toleranz, Großzügigkeit, Selbstlosigkeit in der Liebe und auch der Souveränität zu widersprechen, d.h. wir glauben, unsere Ideale zu verletzen, wenn wir eifersüchtig sind – daher müssten wir uns schämen (nicht zwingend vor anderen, aber vor uns selbst). Dann lieber gar nichts von diesen Zusammenhängen spüren. In den Zeiten nach der „sexuellen Revolution“ um 1968 haben sich vor allem „fortschrittliche“ Frauen sehr viel vorgemacht und antun lassen von Männern, bloß weil sie liberal und tolerant sein wollten, so hat sich die unterdrückte Eifersucht in sie hineingefressen.
Ein anderer Grund für die Verdrängung der Eifersucht ist der Verlust an Souveränität: Wir erscheinen abhängig vom Verhalten des Partners. Verzichtet er „uns zuliebe“ auf den Kontakt zur Konkurrenz? Oder eben nicht, so dass wir leiden? Das wollen wir aber selbst unseren besten Freundinnen gegenüber nicht zeigen, weil wir nicht bemitleidet werden möchten. Es kratzt an unserem Selbstwert (meinen wir). Lieber darüber stehen und zusehen?
Eifersucht ist die Angst, seine Position oder Bedeutung in Beziehung zu anderen zu verlieren, weniger wichtig und schlimmstenfalls ersetzt zu werden. Das ist zunächst einmal völlig legitim! Manchmal hilft es tatsächlich, sich auf diese Angst zu besinnen und zu konzentrieren. Wenn die Klientin sagt: „Ich habe solche Angst, ihn zu verlieren“, entlässt sie den Partner aus der Täterrolle und kommt meist selbst leichter aus der Opferrolle raus.
Der „Sinn“ des Gefühls Eifersucht ist, uns an das Bedürfnis nach Verbindlichkeit und Wichtigkeit zu erinnern – und daran, dass wir eventuell dafür mal kämpfen müssen: „Ich will die Wichtigste für Dich sein!“ Die therapeutisch relevante Frage ist, ob die Angst und der Kampf angemessen sind. Was als Kind vielleicht eine realistische Angst war (vom Platz als Prinzessin durch das Geschwisterchen gestoßen zu werden), muss es als Erwachsene(r) nicht mehr sein. In der Therapie geht es darum erwachsen zu werden; und wenn sich eifersüchtige Partner kindisch, albern, absurd und krankhaft benehmen, dann hat dies meist damit zu tun, dass das innere Kind die Oberhand hat.
Das bedeutet nicht, dass wir ganz (pseudo-)erwachsen so tun sollten, als wäre da ja gar nichts („stell Dich mal nicht so an“ bzw. „ich stell mich mal nicht so an“). Dadurch würden wir den oder die Kleine in uns verleugnen, das bessert gar nichts. Im Gegenteil. Es geht darum, mit der Perspektive anderer (und zwar nicht mit der Perspektive des Privatdetektivs …), auch mit der Perspektive des Therapeuten, sowohl die Angst als auch den notwendigen Kampf einem Realitätscheck zu unterziehen.
Zur Angst: Es ist definitiv nicht schön, als Freund z.B. auf den zweiten Platz geschoben zu werden oder auch nur die Alleinstellung zu verlieren. Und es ist noch weniger schön, einen Freund ganz zu verlieren wegen eines anderen Menschen. Und wie ist es, wenn es um Partnerschaft geht? Sehr unschön. Aber auch das ist nicht so dramatisch wie in Kleinkindzeiten, als würden Vater oder Mutter uns gar nicht mehr wahrnehmen. (Allerdings, wenn einen der Ehepartner wegen einer anderen verlässt, kann sich das schon genau so schlimm und dramatisch anfühlen – so dass ich auch als Therapeut erstmal ohnmächtig bin. Das lässt sich zunächst nicht „behandeln“, nur begleiten: dass Wut, Trauer, Angst „da sein dürfen“, auch eine krankhafte Eifersucht, ein entsetzliches Leiden.)
Zum Kampf: Wer kämpft kann verlieren. Aus frühen Erfahrungen entsteht oft ein Glaubenssatz: „Es lohnt sich nicht zu kämpfen.“ Oder auch: „Ich darf nicht für mich kämpfen, ich muss lieb sein.“ Daher lassen manche Menschen, die sich wenig zutrauen, sehr viel an Affären oder Aktivitäten beim Partner zu („er soll halt seine Freiheiten haben“) – ohne die angemessenen Gefühle von Eifersucht bei sich zuzulassen. Der vollständige Satz heißt aber: „Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!“
Tatsächlich steht die Verlustangst in engem Verhältnis zum mangelnden Selbstwert. Dieser lässt sich nicht mit klugen Sprüchen, coolen Slogans oder bloßen Erkenntnissen aufbauen, es ist ein längerer Weg der Selbsterfahrung oder Therapie erforderlich. Ein wesentlicher Aspekt dabei, wie auch sonst in der Therapie: Rauskommen aus dem Schwarzweißdenken. Am Spiegel muss nicht stehen: „Ich bin großartig.“ (… wenn man sich gerade ziemlich entwertet bzw. wertlos fühlt …) Aber vielleicht: „Ich bin gut genug.“ „Ich habe viel zu geben.“ „Ich bin liebenswert.“ Oder: „Ich lerne von Tag zu Tag mehr, mich zu mögen wie ich bin.“
An meiner Haustür hängt ein Schild: „Gott jubelt, wenn er an Dich denkt.“ Ich habe es nicht aufgehängt. Und ich glaube nicht an Gott, aber ich liebe den Spruch. Es ist dieses Gefühl von Willkommen in der Welt, was unsere gesunde Selbstliebe und unseren Selbstwert fördert. Der Glaube an etwas Größeres als den Menschen kann bei diesem Welcome-Work helfen.
Wie angedeutet, hat Eifersucht Züge von Passivität und Opferrolle. Was hilft ist also Aktivität: Arbeit an sich selbst und mit dem Partner. Kämpfen muss nicht zwangsläufig bedeuten, den Partner „zur Rede zu stellen“ – obwohl, manchmal darf man sich davor nicht drücken, und Konflikte schaffen mehr Nähe als das Schweigen! Oder sie führen zu einer notwendigen Klärung nach dem Motto „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“ Aber soweit muss es oft nicht kommen: Es geht bei „Aktivität statt Opferrolle“ auch darum, dass Sie mit Ihrem Partner mehr die Partnerschaft „leben“, mehr von dem tun, was Ihnen gut tut, weniger von dem, was ihnen nicht gut tut, und öfter mal was Neues ausprobieren. Solche Schwellen zu überschreiten, das fördert unser Gefühl für Selbstwirksamkeit und Selbstsicherheit. Nicht vergessen: „Wo die Angst ist, da geht’s lang!“